Wie schreibt man über etwas, was man nicht erlebt hat? Wir haben uns an die Akten gehalten, die wir in den Archiven fanden. Wir haben und die Geschichten aus Jankos Familie angehört, unzählige Zeitzeugenberichte gehört und gelesen und diese für unser Buch verdichtet. Janko erklärt das in einem Text dazu sehr schön und beantwortet auch den Grund für unser Vorgehen:
„Während kaum jemand wusste, was danach mit Unku geschah, erzählte man sich in meiner Familie Geschichten über sie, die nicht im Kinderbuch stehen – wie man sie eben über verstorbene Familienmitglieder erzählt, um sich an sie zu erinnern. Sie muss ein besonderer Mensch gewesen sein, jemand der auffällt, der andere für sich einnimmt. Schließlich taucht Unku in einem zweiten Buch auf, in dem der Missionarin Frieda Zeller-Plinzner, und auf den Fotografien des Journalisten Hanns Weltzel. So sind von ihr Aussagen und Bilder erhalten, die uns sehr dabei geholfen haben, ihre Kindheit und Jugend nachzuzeichnen.
Ab 1938 gab es in Deutschland allerdings niemanden mehr, der sich öffentlich für Sinti und Roma interessierte. Niemanden, außer den Behörden des NS-Regimes. Von dieser Zeit existieren von Unku kaum mehr Dokumente als die, die die Polizei in ihrer „Zigeunerpersonalakte“ gesammelt hatte. Sie zeigen vor allem den Blick der Täter auf sie. Umso wichtiger waren für uns die Berichte der überlebenden Holocaustopfer. Dank ihnen konnten wir uns Unkus Perspektive nähern.“ Janko Lauenberger
Am Beispiel der Szene, wie Unkus Familie verhaftet wird, möchte ich Ihnen kurz erklären wie wir vorgegangen sind: Klar – alle zitierten Akten existieren genauso wie zitiert, Zeitablauf etc. haben wir aus Akten und Zeitzeugenberichten, sämtliche Zitate aus Zeitzeugenberichten – einschließlich, was die Polizisten rufen und was die Holzweg-Bewohner fragen. Dagegen: Ob Unku die Strümpfe aus der Hand fallen oder ob sie die von den Zeitzeugen erinnerten Sätze tatsächlich gehört hat, wissen wir nicht. Das unterstellen wir ihr in diesem Fall, um nah bei ihr zu bleiben und um ihre Umgebung dem Leser greifbar zu machen. Diese „Projektionen“ setzen wir aber so selten wie möglich ein. Jankos Buch ist kein streng wissenschaftliches oder journalistisches Werk, auch wenn wir genau recherchiert haben. Es ist eine Familiengeschichte. Aber und das ist uns wichtig zu sagen: Nichts des beschriebenen Geschehen in Auschwitz ist ausgedacht. Es ist alles passiert.